Mein Nachbar

TockTockTockTockTock…
Das Auto rollt führerlos auf den Abhang zu, ich hechte aus dem Bett und reiße panisch die Wohnwagentür auf…
Ich muss das Auto stoppen, bevor wir beide metertief in den Abgrund rutschen…

Das Auto steht genauso da, wie gestern Abend abgestellt.
Langsam realisiere ich, dass das Motortockern von einem LKW stammt, welcher in einigem Abstand geparkt hat und dieses Geräusch mich zu diesem unsinnigen Traum inspiriert hat.

Die ganze Nacht wird der LKW-Motor weiter laufen, kann ich ihm bei -24 Grad auch nicht verübeln.
Ein wenig verwirrt schaut Rocky schon, als ich wieder unter den Berg Decken schlüpfe. Sobald er sich aber wieder in meine Kniekehle rollen kann, lässt er sein zufrieden tiefes Einatmen, gefolgt vom entspannten Seufzen, hören.

Meine kalte Nase weckt mich ungemütlich und wie jeden Morgen setze ich meine Wasserflasche an, damit mein Körper den Flüssigkeitsverlust durch die Nacht ausgleichen kann.
Als ich meinen Morgentrunk kauen muss wird mir klar, dass das Wasser gefroren ist.
Nun gut, dann erst einmal Zähne putzen!
Schon beim Anfassen der Zahnpasta wird klar, dass auch die gefroren ist.

Alles klar, ich krame Rocky unter den Decken hervor und bin ein bisschen neidisch auf den hechelnd auf der Seite liegend, gähnenden Genießer.
Mit steifen Fingern kippe ich einen Liter Petroleum in den Ofen und warte bis punktuell Wärme in unsere Richtung und die der Zahnpasta strahlt.

Mein Nachbar ist mittlerweile auch aufgewacht und schaufelt fleißig Splitt auf die Auffahrt des Rastplatzes, damit er mit seinem LKW problemlos weiterfahren kann.

Nachdem ich ihn ein paar Momente gespannt beobachte, ist mir seine Haltung irgendwie sympathisch. Mit meiner Nikolausmütze und Kamera gehe ich lächelnd auf ihn zu.
Ich finde ihn interessant und da wir sozusagen nebeneinander geschlafen haben, ist er ein Teil meiner Reise.

Wir grüßen uns heiter und ich frage ihn, ob ich für meinen Blog ein Foto von ihm machen kann, er ist fröhlich, offen und willigt breit lachend ein.
Als hätte er den besten Tag seines Lebens, reißt er die Arme hoch und lacht übers ganze Gesicht.
Es ist herrlich zu sehen und wir geben uns ein High-Five.

Bei -24 Grad möchte ich ihn nicht länger als notwendig in der Kälte halten und wir verabschieden uns recht schnell, er muss schließlich seine Ladung zum Ziel bringen.

Mittlerweile ist das Wasser und die Zahnpasta aufgetaut und ich kann mir die Zähne putzen.
Den Tag heute werde ich hier in Jokkmokk bleiben, denn bis auf die harte Kälte ist es so entspannt wie seit Langem nicht mehr.

Außer Stöbern in meinem Buch, Podcast hören und mein Essen kochen, machen wir heute nichts mehr. Morgen wird es Richtung Norwegen gehen!