Ungläubig sehe ich unter meinen Tacho. Eine Zahl blinkt energisch auf, um mich vor glatter Straße zu warnen.
Was für eine Ironie.
Diese Zahl ist 19. Davor steht ein Minus.
„Krass“, sage ich laut und wundere mich direkt über meine Äußerung. Was habe ich erwartet, immerhin habe ich monatelang mit extrem tiefen Temperaturen geplant und mich darauf vorbereitet.
Vor einer Stunde stand hier noch -8, unglaublich wie schnell sich das Wetter hier ändern kann.

Die letzten Tage bin ich wegen Tau und Glatteis nur sehr schleppend vorangekommen. Es war so glatt, dass ich beim Aussteigen mit den Armen wedelnd versucht habe Balance zu halten.
Nun, da es so kalt ist, gibt es aber keinen Tau mehr, die Straße besteht aus purem Eis, 10cm trennen meine Reifen vom Asphalt.
Komischer Weise fährt es sich auf Eis so angenehm, wie seit Deutschland nicht mehr, das ständige Gedrifte und unkontrollierte Schlittern scheint vorbei zu sein und ich komme wieder in den Roadtrip-Modus ohne das Lenkrad zu würgen.

Mein Ziel, die Polarlichter, steht wieder konkret im Fokus und scheint greifbarer. Immerhin habe ich nur noch wenige Tage bis Tromsö, eine Stadt voller Studenten, in der es fast eine Polarlicht-Garantie gibt.
An dieser Stelle wundere ich mich ein wenig über die Formulierung „eine Stadt voller Studenten“. Das hat bestimmt seine Reize, der Grund meiner Reise ist das allerdings nicht.

Ein Rascheln reißt mich aus diesen lustigen Gedanken, Rocky sucht sich eine neue Liegeposition. Seit die Straßen so weitläufig geworden sind, dass wir nur alle zwei Stunden an einer kleinen Siedlung vorbeikommen, darf Rocky durchgehend vorne (angeschnallt) mitfahren.
Mit einem zufriedenen Seufzen legt er sich ausgestreckt auf meine Bettdecke und ich streichle vorsichtig seinen Rücken.

Sicherlich ein Bild für die Götter, wie hier ein 27-jähriger Stadtmensch mit einem alten Auto und einem noch viel älteren Wohnwagen über Straßen fährt, die einige Autohersteller zum Testen ihrer Geländewagen nutzen.
Tatsächlich testet Volvo seine Autos auf der E45, auf der ich mich durch Schweden wühle.

Seit 14:30 Uhr ist es schon Nacht und ich habe endlich einmal eine schöne Sicht auf die Sterne. Die nächste Parkbucht kommt bald und ich krame Susi aus dem Kofferraum, um ein paar Sterne zu fotografieren.
Während ich durch Susi´s Sucher schaue und mich etwas zurücklehne, sehe ich ein grünes Schimmern.
Mein Puls geht höher, können das wirklich schon Polarlichter sein? Doch nicht in Mittelschweden oder?

Beim genauen Hinsehen besteht kein Zweifel mehr!
Ich sehe Polarlichter. Die Aurora Borealis, die eines der Hauptziele meiner Reise waren, tänzelt verspielt am Himmel.
Der Anblick macht mich sprachlos.
Ohne weiter darüber nachzudenken haste ich aus dem Auto und beginne zu fotografieren. Die Temperatur ist mir völlig egal, ich will dieses Naturwunder festhalten. Für immer. Für mich und für alle, die diese Schönheit genießen möchten.

Nach einer halben Stunde und keinem Gefühl in irgendeiner einer Gliedmaßen steige ich zufrieden zurück ins Auto und mache mich weiter auf den Weg Richtung Jokkmokk, kurz vorm Polarkreis.
Nach wenigen Metern habe ich keine Lust mehr und halte an einem tollen Parkplatz mit Toilettenhäuschen.

Bei -15 Grad ist die Nacht ein wenig frostig, da ich die Heizung nur zum Einschlafen eingeschaltet habe, auszuhalten war es aber allemal und Rocky war sogar teilweise am hecheln, da wir unter unseren ganzen Decken eine Rettungsdecke nutzen.
Das funktioniert super, es muss aber auf Luftzufuhr geachtet werden, denn Metall ist nicht luftdurchlässig und Schwitzwasser wäre bei diesen Temperaturen tödlich.
Nasse Körper kühlen 30x schneller aus als trockene.

Was für ein unglaublicher Tag, wir schlafen tiefenentspannt.

Bis morgen.

PS: Ich freue mich immer über einen Kommentar von dir, falls dir meine Abenteuer gefallen, darfst du meine Beiträge auch gern teilen.

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