Die Folgen des Schneesturmes
Ich mag kein
Weiß
Es ist morgen und bei der morgendlichen Pipi-Runde bemerken wir, dass mittlerweile 4 weitere LKWs in der Parkbucht stehen.
Das ist ungewöhnlich, denn das ist erst das zweite Mal auf meiner Reise, dass ein LKW hält, obwohl bereits ein Auto auf dem Parkplatz steht. Und nun so viele auf einmal?
Außer ein Räumfahrzeug ist so gut wie kein Verkehr mehr auf der Straße. Das Auto ist eingeschneit und die Straße ist kaum noch zu sehen.
So wird das nichts!
Ich entschließe mich zurück in den nächsten Ort (Kiruna) zu fahren, um dort abzuwarten bis sich die Wetterlage entspannt.
Jede Parkbucht, an der ich vorbeifahre ist belegt. Was ist denn hier los?
Auf Pulverschnee und Glatteis graben wir uns nach und nach vorwärts, bis eine heftige Steigung uns zum Stillstand bringt.
Das kenne ich ja schon, während ich also mit meiner Schneeschaufel Stück für Stück die Straße freiräume, bieten mir zwei Autos an, mich zwei Berge hochzuziehen.
Rocky ist überhaupt nicht begeistert, dass Herrchen und andere Menschen da mit einem Seil am Auto hantieren, aber der beruhigt sich schnell wieder.
Nachdem ich zwei krasse Berge hochgezogen wurde und mir „good Luck“ gewünscht wurde, quälen wir die alte Kiste im dritten Gang mit mittlerer Drehzahl die weiteren Steigungen hoch. Bremsen würde zum erneuten Feststecken führen, also Zähne zusammenbeißen und einen Kompromiss aus Ausbrechen und Drehzahl finden.
Eine Stunde geht das so, bis langsam wieder Straße und am Horizont die Stadt zu sehen ist.
Der erste Stopp gehört jetzt der Tankstelle und nach dem Aussteigen spricht mich ein netter Schwede an, ob wir auf einem Campingtripp wären.
Ich erkenne die Ironie und wir beide lachen über dieses ungewöhnliche Vorhaben.
Er erzählt mir noch, dass ich bis Montag warten solle, da wäre der Sturm vorbei und die Straßen bis auf 15-20 Kilometer entspannt zu fahren.
Die Idee gefällt mir und der Plan wird forciert.
Wir haben jetzt also zwei Tage um ein wenig Ordnung zu schaffen und etwas zu arbeiten.
Sollte auch Montag kein Vorankommen sein, werde ich dann einen südlicheren Weg nach Norwegen suchen und Tromsö auslassen.
Das wäre schade, aber wenn die Natur meiner Ausrüstung Grenzen setzt, dann ist mir die Sicherheit von uns und anderen Verkehrsteilnehmern wichtiger.
Während ich jetzt genüsslich diesen Text schreibe und meinen Kaffee schlürfe, bellt Rocky gedämpft im Schlaf böse Rentiere an.
Zeitlich sind wir ganz gut dabei, die Hälfte der Strecke ist geschafft, unsere Reisezeit aber noch ein paar Tage vor der Halbzeit.
Ein wenig kann ich also entspannen und ein paar Pläne für die nächsten Tage machen.
Mir wurde als Feedback gegeben doch einmal einen ganzen Tag zu filmen, um einen Einblick von so einem Tagesablauf zu bekommen.
Daran werde ich mich morgen einmal ausprobieren, auch wenn wir nicht viel fahren werden.
Frostige Grüße aus dem dunklen Kiruna 🙂
Ein Schneesturm
Schnee und so
Fröhlich pfeifend lasse ich Kilometer für Kilometer hinter mir, Rocky knabbert gierig an seiner Rindersehne und die Außentemperaturen schwanken zwischen -11 und -26 Grad.
Hin und wieder laufen zwei oder drei Rentiere am Straßenrand, doch sobald ich auch noch so langsam auf sie zurobbe, ergreifen sie die Flucht aufs Feld.
Shit, ich möchte doch unbedingt eine Nahaufnahme dieser tollen Tiere machen. Nun gut, wenn nicht jetzt, dann eben später.
Ohne irgendeinen Zwischenfall geht es gut voran. Zu gut.
Wir legen so viele Kilometer zurück, dass ich mittlerweile nur noch wenige Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt bin.
Wie gewohnt ist es seit 13:30 Uhr Stockduster, aber die Straßen werden immer leerer, keine Tiere, keine Autos – nichts.
Ein Blick aufs Navi zeigt aber, dass wir noch auf einer Europastraße sind.
Als ich die Playlist meines Podcasts pausiere, höre ich plötzlich ein durchgehend schleifendes Geräusch. Verdammt laut sogar!
Immer wieder ändere ich mein Fahrverhalten um den Ursprung für das Geräusch zu finden.
Nach einiger Zeit wird mir klar, dass ich seit einer Stunde neben einem unglaublich langem Güterzug herfahre!
Nachdem ich so beschäftigt war das Schienengeräusch dem Zug zuzuordnen, wird mir plötzlich bewusst, dass der Wind unverhältnismäßig zugenommen hat, meine Sicht nach vorne ist auf 20 Meter gesunken und die Temperatur steigt auf -8 Grad.
Da die Straße weiterhin gut befahrbar ist, gehts immer weiter geradeaus.
Irgendwann kommen wir in den Ort Abisko, am Straßenrand stehen Schilder mit der Warnung vor Lawinen.
Wo bin ich denn hier gelandet? Lawinen? Links und rechts ist es schwarz, wo sollen denn hier Lawinen herkommen?
Die Sicht wird immer schlechter und mittlerweile sehe ich Streckenweise nur noch zwei Meter weit.
Als ich durch immer tieferen Schnee fahre und die Sicht kurzfristig etwas besser wird, sehe ich in der Entfernung Warmblinker von zwei oder drei LKWs und orangenes Warnlicht.
Das ist mir zu heiß und ich fahre in eine Parkbucht und halte hinter einem parkenden LKW. Hier werde ich die Nacht bleiben und am nächsten Tag mit klarem Kopf die Situation einschätzen.
Mit Rocky und zwei Dosen im Schlepptau, eine Dose Bohnen in Tomatensoße und eine Dose Thunfisch, machen wir es uns im Wohnwagen bequem und genießen es über WhatsApp mit Freunden aus Deutschland zu schreiben.
Die Nacht wird sehr entspannt.
Jokkmokk und mein Nachbar
Mein Nachbar
TockTockTockTockTock…
Das Auto rollt führerlos auf den Abhang zu, ich hechte aus dem Bett und reiße panisch die Wohnwagentür auf…
Ich muss das Auto stoppen, bevor wir beide metertief in den Abgrund rutschen…
Das Auto steht genauso da, wie gestern Abend abgestellt.
Langsam realisiere ich, dass das Motortockern von einem LKW stammt, welcher in einigem Abstand geparkt hat und dieses Geräusch mich zu diesem unsinnigen Traum inspiriert hat.
Die ganze Nacht wird der LKW-Motor weiter laufen, kann ich ihm bei -24 Grad auch nicht verübeln.
Ein wenig verwirrt schaut Rocky schon, als ich wieder unter den Berg Decken schlüpfe. Sobald er sich aber wieder in meine Kniekehle rollen kann, lässt er sein zufrieden tiefes Einatmen, gefolgt vom entspannten Seufzen, hören.
Meine kalte Nase weckt mich ungemütlich und wie jeden Morgen setze ich meine Wasserflasche an, damit mein Körper den Flüssigkeitsverlust durch die Nacht ausgleichen kann.
Als ich meinen Morgentrunk kauen muss wird mir klar, dass das Wasser gefroren ist.
Nun gut, dann erst einmal Zähne putzen!
Schon beim Anfassen der Zahnpasta wird klar, dass auch die gefroren ist.
Alles klar, ich krame Rocky unter den Decken hervor und bin ein bisschen neidisch auf den hechelnd auf der Seite liegend, gähnenden Genießer.
Mit steifen Fingern kippe ich einen Liter Petroleum in den Ofen und warte bis punktuell Wärme in unsere Richtung und die der Zahnpasta strahlt.
Mein Nachbar ist mittlerweile auch aufgewacht und schaufelt fleißig Splitt auf die Auffahrt des Rastplatzes, damit er mit seinem LKW problemlos weiterfahren kann.
Nachdem ich ihn ein paar Momente gespannt beobachte, ist mir seine Haltung irgendwie sympathisch. Mit meiner Nikolausmütze und Kamera gehe ich lächelnd auf ihn zu.
Ich finde ihn interessant und da wir sozusagen nebeneinander geschlafen haben, ist er ein Teil meiner Reise.
Wir grüßen uns heiter und ich frage ihn, ob ich für meinen Blog ein Foto von ihm machen kann, er ist fröhlich, offen und willigt breit lachend ein.
Als hätte er den besten Tag seines Lebens, reißt er die Arme hoch und lacht übers ganze Gesicht.
Es ist herrlich zu sehen und wir geben uns ein High-Five.
Bei -24 Grad möchte ich ihn nicht länger als notwendig in der Kälte halten und wir verabschieden uns recht schnell, er muss schließlich seine Ladung zum Ziel bringen.
Mittlerweile ist das Wasser und die Zahnpasta aufgetaut und ich kann mir die Zähne putzen.
Den Tag heute werde ich hier in Jokkmokk bleiben, denn bis auf die harte Kälte ist es so entspannt wie seit Langem nicht mehr.
Außer Stöbern in meinem Buch, Podcast hören und mein Essen kochen, machen wir heute nichts mehr. Morgen wird es Richtung Norwegen gehen!
Rentiere
Da sind sie
endlich
Mein Körper weckt mich, da der Wohnwagen über Nacht auf die Außentemperatur von -11 Grad abgekühlt ist. Meine Nase friert, der Rest ist gut verpackt.
Als ich Anstalten mache mich aus den vielen Lagen Decken zu wühlen, höre ich ein genervtes Stöhnen. Rocky möchte noch schlafen.
Als ich die Decken wegschiebe, streckt er sich genüsslich, alle Viere von sich gestreckt.
Das Frühstück lassen wir aus, denn ohne die Decken kühlen wir schnell aus.
Also ruckzuck alles verstauen, das Auto anschmeißen und wieder los auf die Straße.
Der Anblick der Polarlichter gestern ist noch fest in meinem Kopf, was ein Erlebnis.
Mit diesen positiven Gefühlen und einer frischen Flasche Cola Light geht es für uns nach einer kleinen Pipi-Runde sofort los.
Stundenlang kommen wir an keinem Haus vorbei, Menschen habe ich länger schon nicht mehr ohne Auto gesehen.
Irgendwann kommt mir mal wieder ein Auto entgegen, mit ständiger Lichthupe und deutlich auf der Bremse.
Nanu, denke ich, schleift der Wohnwagen etwa quer hinter mir her?
100 Meter weiter sehe ich, was los ist. Drei Rentiere schlendern tiefenentspannt über die Straße. Gestern Polarlichter und heute Rentiere?
Ich werde verrückt!
In meiner Begeisterung halte ich mit Warmblinker, schnappe mir Elli und beginne diese wunderbaren Tiere zu fotografieren.
Mit viel Respekt robbe ich mich langsam vorwärts um sie nicht zu stören und fotografiere weiter.
Nach nur zwei Minuten sind sie über das Feld wieder verschwunden.
Was ein Erlebnis, diese Reise hat sich lange Zeit gelassen mit Highlights, aber mittlerweile reiht sich ein Erlebnis ans Nächste.
Ich liebe Schweden und freue mich in wenigen Tagen Norwegen kennenzulernen.
Nun stehe ich wieder auf einem großen Parkplatz bei -17 Grad in Jokkmokk und knabber schwedisches Studentenfutter und trinke schwedisches Bier, das ein wenig nach Kümmel schmeckt.
Rocky ist schon längst in der Traumwelt, wartet bis Herrchen ihn in den Wohnwagen bringt und die obligatorische Beinlücke zum Einrollen bereit ist.
Nachdem der Tank vorhin auf Reserve stand und ich das Ding randvoll gefüllt habe, habe ich mich mit Cola, Bier und Knabberzeug im Supermarkt eingedeckt.
Beim Betreten bin ich fast vom Glauben abgefallen.
Tagelang habe ich so gut wie keinen Menschen gesehen und auf einmal trete ich in einen Supermarkt, der voll mit Mädels zwischen 20 und 30 ist.
Während ich völlig verstört meinen Kram in den Korb packe, verwickle ich zwei Mädels in ein Gespräch.
Es sind Deutsche, die in Oslo studieren und auf einer Lapplandtour mit dem Bus sind.
Sie erzählten mir ein wenig verstört, dass der Busfahrer heute ein Rentier überfahren hat und einfach weitergefahren ist. Das wäre hier wohl normal.
Sie baten um ein paar Tipps wie sie Polarlichter fotografieren können und dann ging es auch schon ans Verabschieden.
Vielleicht bleibe ich morgen den Tag einfach hier.
Gute Nacht und bis morgen.
PS: Wenn dir der Beitrag gefällt, hinterlasse mir gern einen Kommentar oder teile ihn, darüber freue ich mich sehr.
Weitere Bilder findest du hier
Meine größten Helden
Meine größten Helden
Täglich fahren sie ununterbrochen mit riesigem Gerät über die großen Straßen und hinterlassen eine große Schneise im weißen Meer.
Ein bisschen also wie Jesus, der hat aber ein anderes Meer geteilt.
Überall sehe ich umgebaute Lastwagen, große Radlader und Streufahrzeuge.
Während ich hinter ihnen herfahre, bekomme ich den Eindruck, dass sie Spaß haben.
Zwei von ihnen fahren nebeneinander her, es erinnert mich an zwei Freunde, die verspielt mit ihren Mofas auf einer Dorftour sind.
Für mich sind es Helden.
Sie allein sorgen dafür, dass ich näher an mein Ziel, die Polarlichter, komme.
Ohne sie wäre meine Reise schon lange vorbei gewesen, da ich an irgendeinem Baum, an irgendeinem Berg oder im Graben liegen würde.
Trotz ihrer ungläubigen Blicke, wenn sie sehen, wie ein gestörter Kerl mit Wohnwagen über Straßen aus Eis fährt und dabei fröhlich winkt, sind sie immer da, hilfsbereit und unglaublich freundlich.
Sie repräsentieren dieses wunderbare Land hervorragend und geben mir ein wenig den Glauben an die Menschheit zurück.
An dieser Stelle möchte ich mir das Ziel setzen, mindestens einen von ihnen auf einen Kaffee einzuladen und mit meiner Kamera zu portraitieren.
Du lebst im Auto? Immer? Also so richtig?
Ein Leben ausschließlich im Auto?
Kann das überhaupt funktionieren?
Ist das überhaupt erlaubt?
Ist das nicht zu kalt?
Ist das nicht zu warm?
Wo kackst du eigentlich?
Duscht du überhaupt?
Wo duscht du?
Was sagen eigentlich deine Eltern dazu?
Wie verdienst du denn Geld?
Was ist mit deiner Rente?
Wieso kannst du nicht einfach wie jeder andere auch sein und dir einfach ne Wohnung mieten?
Ach du bist so ein Influenzer?
Diese und ähnliche Fragen beantworte ich mehrmals täglich, vielen auch mehrfach.
Viele werden jetzt sagen – Kevin, ist doch toll, dass Menschen Interesse daran zeigen.
Klar würde es mich freuen, wenn Menschen tatsächlich echtes Interesse an einem alternativen Lebensstil haben und für die Argumente wertungsfrei offen wären.
Nach vier Jahren solcher Gespräche habe ich aber ein gutes Gespür dafür entwickelt wer wirklich Interesse an dieser Art zu leben hat (wenn auch „nur“ informativ) und wer eigentlich nur Gründe sucht kein Risiko einzugehen und der inneren Stimme zu horchen, die schreit: „Geh raus hier, dieses Leben tut dir nicht gut.“
Jeder "normale" unglücklich?
Keinesfalls.
Meist laufen solche Gespräche aber nach einem Muster ab. Mein Gegenüber beklagt sich ausladend über seinen undankbaren Job (den er gern wechseln würde, aber ohne stundenlange Fahrtzeit nicht kann), die exorbitante Miete, abzockende Dienstleister, fehlende Selbstverwirklichung wegen Zeitmangel usw.
Argumentiere ich dann, dass so gut wie jeder dieser Punkte jederzeit geändert werden kann, indem „out of the box“ gedacht wird und der einzig limitierende Punkt eine unbewegliche Wohnsituation ist, kommt grds. das selbe „Argument“: Ich finde es total bewundernswert, was du tust und ich würde es auch gern machen, aber das geht mit meinem Job / meiner Familie / meinem Kind / meinem Hund / meiner Frisur nicht.
Hier sucht also wieder jemand Gründe und keine Lösungen.
Oft verliere ich mich sehr leicht in diesen Gesprächen, ich versuche sachlich die Vor- und Nachteile meiner Wohnsituation darzulegen.
Leider sieht das dann aber meist so aus:
Ein Gespräch mit jemandem
Ein Leben ausschließlich im Auto?
Ja, mein zuhause ist nur ein Fahrzeug.
Wow, krass. Und wie lange willst du das machen?
So lange, bis ich entweder nicht mehr überzeugt von dieser Lebensweise oder gestorben bin.
Kann das überhaupt funktionieren?
Klar, kann das funktionieren, wenn man von diesem Leben überzeugt ist, sein Ziel kontinuierlich verfolgt und gesellschaftliche Abstriche machen kann. Ein Beispiel siehst du ja hier.
Ist das überhaupt erlaubt?
Es gibt kein Gesetz dagegen, was in Deutschland (übrigens anders als in den USA) bedeutet, dass es erlaubt ist.
Ist das nicht zu kalt?
Nein, ich hab ja ne tolle Heizung. Meist ist mir sogar deutlich zu warm. Ab 0°C schalte ich das Gebläse in meinem Dachfenster aus. Ab -5°C schließe ich dann auch das Dachfenster.
Ist das dann im Sommer nicht zu warm?
Nein, mein Auto ist an jedem Fleck Metall mit extrem isolierenden, dämmenden und nicht brennbaren Material gedämmt. Außerdem habe ich durch eine Standheizung, welche auch als Ventilator dient und mein Dachfenster, welches 39 Kubikmeter Luft pro Minute bewegt, einen perfekten Luftaustausch. Die Temperatur in meinem Auto ist also grundsätzlich deutlich geringer als die Außentemperatur, selbst wenn ich direkt in der Sonne parke.
Wo kackst du eigentlich?
Auf Toilette, in ne Plastiktüte oder in ein Loch in der Erde.
Boah, das könnte ich nicht. Ich brauche meine Toilette zuhause.
Kann ich an sich verstehen, die Umstellung ist allerdings viel einfacher als man denkt. Biologisch gesehen ist deine Körperhaltung auf ner Toilette sogar eher suboptimal.
Duscht du überhaupt?
Ja, natürlich?!
Wo duscht du?
Unter der Dusche. Entweder meine eigene am Auto oder auf Autohöfen, im Schwimmbad oder auch mal bei Freunden.
Hört sich aufwendig an. Ich brauche meine Badewanne.
Ne Badewanne ist mega. Manchmal vermisse ich eine, aber in keiner meiner Wohnungen hatte ich bis jetzt eine und meist benutzt man sie doch eh kaum.
Was sagen eigentlich deine Eltern dazu?
Das ist mir eigentlich egal. Meistens haben meine Eltern sich zu allem negativ geäußert, was nicht ihrem Ideal entsprach, welches dem ihrer eigenen Eltern mal entsprach.
Meine Eltern würden durchdrehen.
Das sollte ja nicht dein Problem sein.
Wie verdienst du denn Geld?
Ich tausche meine Zeit gegen Geld. Mal als Banker, mal als Fahrer für Personenbeförderung, mal als KFZler, mal als Pferdepfleger.
Mein von Zeit in Euro getauschtes Geld investiere ich sehr oft recht geschickt, sodass aus 800€ Einkommen nicht selten 1200€ werden, die im Laufe des Monats zur Verfügung stehen. Oft decken die Erträge aus solchen Investments die normalen Lebensmitteleinkäufe im Monat ab.
Also ich mache Karriere. Ich brauche meine Ziele und das regelmäßige Einkommen. Mich nerven der Chef und einige Kollegen zwar heftig, aber irgendwas ist ja immer.
Deine Karriere ist doch aber nicht Jobgebunden. Du kannst dir einen Chef und deine Kollegen genauso aussuchen, wie die Art der Arbeit und die Werte deines Arbeitgebers.
Du kannst auch zeitweise einfach mal ein paar Monate gar nicht arbeiten und Ziele abseits eines Jobs haben.
Was ist mit deiner Rente?
Die beantrage ich zum Renteneintrittsalter.
Aber die kann doch nicht zum Leben reichen.
Kann deine das denn?
Wahrscheinlich nicht, aber meine wird dann voraussichtlich deutlich höher als deine aussehen.
Ich brauche aber auch deutlich weniger Geld. Etwas mehr zu haben, aber trotzdem nicht ausreichend, stellt für mich keinen Anreiz dar.
Wieso kannst du nicht einfach wie jeder andere auch sein und dir einfach ne Wohnung mieten?
Das kann ich schon, möchte ich aber nicht. So zu sein wie alle anderen ist für mich kein schlagkräftiges Argument um etwas zu tun.
Love it. Change it. Leave it.
Man könnte dieses Spiel endlos weiterführen, aber bis zu welchem Punkt? Wenn nach fast jedem meiner Argumente eine Abwehrreaktion oder Rechtfertigung erwidert wird, möchte sich mein Gegenüber hier nur selbst bestätigen und keinen sachlichen Austausch.
Das ist schade, aber eines meiner wichtigsten Hauptprinzipien, wenn du in einer Situation feststeckst, in der du negatives siehst, ist folgendes:
Gefällt mir meine Situation nicht, liebe ich sie nicht. Wenn ich sie dann nicht ändern kann, muss ich sie verlassen.
Tu ich das auch nicht, scheine ich ein Denkmuster zu haben, das für mich nicht gesund ist.
Natürlich leben wir im Jahr 2021, doch an der grundlegenden Wohnsituation hat sich im Allgemeinen bisher nicht viel geändert. Als normal gilt nach wie vor ein immobiler und domestizierter Wohnsitz.
Das Leben aber lebt doch von Veränderungen. Jede Chance ist eine Veränderung und umgekehrt. Wieviele Chancen entgehen jemandem, der aufgrund seiner festen Wohn- oder Arbeitsverhältnisse eine Beziehung, einen Wohnsitz im Grünen oder einen Traumjob nicht verwirklichen kann?
Ein schnelles Reagieren auf veränderte Lebensumstände ist verdammt teuer und umständlich. Ich bin in fünf Jahren drei mal umgezogen, jedes mal hat es ein Vermögen gekostet und war ein Kraftakt. Unfassbar nervig.
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland tatsächlich und ausschließlich mobil wohnen, liegt im tausendstel Bereich. Nur wenige tausend Menschen in Deutschland haben also die Möglichkeit von heute auf morgen ein tolles Job- oder „Wohn-„angebot wahrzunehmen. Ebenso wenige können eine Liebesbeziehung mit einem Menschen in weiterer Entfernung gemäß ihren Bedürfnissen wahrnehmen.