Ein Schneesturm

Schnee und so

Fröhlich pfeifend lasse ich Kilometer für Kilometer hinter mir, Rocky knabbert gierig an seiner Rindersehne und die Außentemperaturen schwanken zwischen -11 und -26 Grad.

Hin und wieder laufen zwei oder drei Rentiere am Straßenrand, doch sobald ich auch noch so langsam auf sie zurobbe, ergreifen sie die Flucht aufs Feld.
Shit, ich möchte doch unbedingt eine Nahaufnahme dieser tollen Tiere machen. Nun gut, wenn nicht jetzt, dann eben später.

Ohne irgendeinen Zwischenfall geht es gut voran. Zu gut.
Wir legen so viele Kilometer zurück, dass ich mittlerweile nur noch wenige Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt bin.
Wie gewohnt ist es seit 13:30 Uhr Stockduster, aber die Straßen werden immer leerer, keine Tiere, keine Autos – nichts.
Ein Blick aufs Navi zeigt aber, dass wir noch auf einer Europastraße sind.

Als ich die Playlist meines Podcasts pausiere, höre ich plötzlich ein durchgehend schleifendes Geräusch. Verdammt laut sogar!
Immer wieder ändere ich mein Fahrverhalten um den Ursprung für das Geräusch zu finden.
Nach einiger Zeit wird mir klar, dass ich seit einer Stunde neben einem unglaublich langem Güterzug herfahre!

Nachdem ich so beschäftigt war das Schienengeräusch dem Zug zuzuordnen, wird mir plötzlich bewusst, dass der Wind unverhältnismäßig zugenommen hat, meine Sicht nach vorne ist auf 20 Meter gesunken und die Temperatur steigt auf -8 Grad.

Da die Straße weiterhin gut befahrbar ist, gehts immer weiter geradeaus.
Irgendwann kommen wir in den Ort Abisko, am Straßenrand stehen Schilder mit der Warnung vor Lawinen.
Wo bin ich denn hier gelandet? Lawinen? Links und rechts ist es schwarz, wo sollen denn hier Lawinen herkommen?

Die Sicht wird immer schlechter und mittlerweile sehe ich Streckenweise nur noch zwei Meter weit.
Als ich durch immer tieferen Schnee fahre und die Sicht kurzfristig etwas besser wird, sehe ich in der Entfernung Warmblinker von zwei oder drei LKWs und orangenes Warnlicht.

Das ist mir zu heiß und ich fahre in eine Parkbucht und halte hinter einem parkenden LKW. Hier werde ich die Nacht bleiben und am nächsten Tag mit klarem Kopf die Situation einschätzen.

Mit Rocky und zwei Dosen im Schlepptau, eine Dose Bohnen in Tomatensoße und eine Dose Thunfisch, machen wir es uns im Wohnwagen bequem und genießen es über WhatsApp mit Freunden aus Deutschland zu schreiben.

Die Nacht wird sehr entspannt.


Jokkmokk und mein Nachbar

Mein Nachbar

TockTockTockTockTock…
Das Auto rollt führerlos auf den Abhang zu, ich hechte aus dem Bett und reiße panisch die Wohnwagentür auf…
Ich muss das Auto stoppen, bevor wir beide metertief in den Abgrund rutschen…

Das Auto steht genauso da, wie gestern Abend abgestellt.
Langsam realisiere ich, dass das Motortockern von einem LKW stammt, welcher in einigem Abstand geparkt hat und dieses Geräusch mich zu diesem unsinnigen Traum inspiriert hat.

Die ganze Nacht wird der LKW-Motor weiter laufen, kann ich ihm bei -24 Grad auch nicht verübeln.
Ein wenig verwirrt schaut Rocky schon, als ich wieder unter den Berg Decken schlüpfe. Sobald er sich aber wieder in meine Kniekehle rollen kann, lässt er sein zufrieden tiefes Einatmen, gefolgt vom entspannten Seufzen, hören.

Meine kalte Nase weckt mich ungemütlich und wie jeden Morgen setze ich meine Wasserflasche an, damit mein Körper den Flüssigkeitsverlust durch die Nacht ausgleichen kann.
Als ich meinen Morgentrunk kauen muss wird mir klar, dass das Wasser gefroren ist.
Nun gut, dann erst einmal Zähne putzen!
Schon beim Anfassen der Zahnpasta wird klar, dass auch die gefroren ist.

Alles klar, ich krame Rocky unter den Decken hervor und bin ein bisschen neidisch auf den hechelnd auf der Seite liegend, gähnenden Genießer.
Mit steifen Fingern kippe ich einen Liter Petroleum in den Ofen und warte bis punktuell Wärme in unsere Richtung und die der Zahnpasta strahlt.

Mein Nachbar ist mittlerweile auch aufgewacht und schaufelt fleißig Splitt auf die Auffahrt des Rastplatzes, damit er mit seinem LKW problemlos weiterfahren kann.

Nachdem ich ihn ein paar Momente gespannt beobachte, ist mir seine Haltung irgendwie sympathisch. Mit meiner Nikolausmütze und Kamera gehe ich lächelnd auf ihn zu.
Ich finde ihn interessant und da wir sozusagen nebeneinander geschlafen haben, ist er ein Teil meiner Reise.

Wir grüßen uns heiter und ich frage ihn, ob ich für meinen Blog ein Foto von ihm machen kann, er ist fröhlich, offen und willigt breit lachend ein.
Als hätte er den besten Tag seines Lebens, reißt er die Arme hoch und lacht übers ganze Gesicht.
Es ist herrlich zu sehen und wir geben uns ein High-Five.

Bei -24 Grad möchte ich ihn nicht länger als notwendig in der Kälte halten und wir verabschieden uns recht schnell, er muss schließlich seine Ladung zum Ziel bringen.

Mittlerweile ist das Wasser und die Zahnpasta aufgetaut und ich kann mir die Zähne putzen.
Den Tag heute werde ich hier in Jokkmokk bleiben, denn bis auf die harte Kälte ist es so entspannt wie seit Langem nicht mehr.

Außer Stöbern in meinem Buch, Podcast hören und mein Essen kochen, machen wir heute nichts mehr. Morgen wird es Richtung Norwegen gehen!


Rentiere

Da sind sie
endlich

Mein Körper weckt mich, da der Wohnwagen über Nacht auf die Außentemperatur von -11 Grad abgekühlt ist. Meine Nase friert, der Rest ist gut verpackt.
Als ich Anstalten mache mich aus den vielen Lagen Decken zu wühlen, höre ich ein genervtes Stöhnen. Rocky möchte noch schlafen.
Als ich die Decken wegschiebe, streckt er sich genüsslich, alle Viere von sich gestreckt.

Das Frühstück lassen wir aus, denn ohne die Decken kühlen wir schnell aus.
Also ruckzuck alles verstauen, das Auto anschmeißen und wieder los auf die Straße.
Der Anblick der Polarlichter gestern ist noch fest in meinem Kopf, was ein Erlebnis.
Mit diesen positiven Gefühlen und einer frischen Flasche Cola Light geht es für uns nach einer kleinen Pipi-Runde sofort los.
Stundenlang kommen wir an keinem Haus vorbei, Menschen habe ich länger schon nicht mehr ohne Auto gesehen.

Irgendwann kommt mir mal wieder ein Auto entgegen, mit ständiger Lichthupe und deutlich auf der Bremse.
Nanu, denke ich, schleift der Wohnwagen etwa quer hinter mir her?
100 Meter weiter sehe ich, was los ist. Drei Rentiere schlendern tiefenentspannt über die Straße. Gestern Polarlichter und heute Rentiere?
Ich werde verrückt!
In meiner Begeisterung halte ich mit Warmblinker, schnappe mir Elli und beginne diese wunderbaren Tiere zu fotografieren.
Mit viel Respekt robbe ich mich langsam vorwärts um sie nicht zu stören und fotografiere weiter.

Nach nur zwei Minuten sind sie über das Feld wieder verschwunden.

Was ein Erlebnis, diese Reise hat sich lange Zeit gelassen mit Highlights, aber mittlerweile reiht sich ein Erlebnis ans Nächste.

Ich liebe Schweden und freue mich in wenigen Tagen Norwegen kennenzulernen.

Nun stehe ich wieder auf einem großen Parkplatz bei -17 Grad in Jokkmokk und knabber schwedisches Studentenfutter und trinke schwedisches Bier, das ein wenig nach Kümmel schmeckt.
Rocky ist schon längst in der Traumwelt, wartet bis Herrchen ihn in den Wohnwagen bringt und die obligatorische Beinlücke zum Einrollen bereit ist.

Nachdem der Tank vorhin auf Reserve stand und ich das Ding randvoll gefüllt habe, habe ich mich mit Cola, Bier und Knabberzeug im Supermarkt eingedeckt.
Beim Betreten bin ich fast vom Glauben abgefallen.
Tagelang habe ich so gut wie keinen Menschen gesehen und auf einmal trete ich in einen Supermarkt, der voll mit Mädels zwischen 20 und 30 ist.
Während ich völlig verstört meinen Kram in den Korb packe, verwickle ich zwei Mädels in ein Gespräch.
Es sind Deutsche, die in Oslo studieren und auf einer Lapplandtour mit dem Bus sind.
Sie erzählten mir ein wenig verstört, dass der Busfahrer heute ein Rentier überfahren hat und einfach weitergefahren ist. Das wäre hier wohl normal.

Sie baten um ein paar Tipps wie sie Polarlichter fotografieren können und dann ging es auch schon ans Verabschieden.

Vielleicht bleibe ich morgen den Tag einfach hier.

Gute Nacht und bis morgen.

PS: Wenn dir der Beitrag gefällt, hinterlasse mir gern einen Kommentar oder teile ihn, darüber freue ich mich sehr.

Weitere Bilder findest du hier


Meine größten Helden

Meine größten Helden

Täglich fahren sie ununterbrochen mit riesigem Gerät über die großen Straßen und hinterlassen eine große Schneise im weißen Meer.
Ein bisschen also wie Jesus, der hat aber ein anderes Meer geteilt.
Überall sehe ich umgebaute Lastwagen, große Radlader und Streufahrzeuge.
Während ich hinter ihnen herfahre, bekomme ich den Eindruck, dass sie Spaß haben.
Zwei von ihnen fahren nebeneinander her, es erinnert mich an zwei Freunde, die verspielt mit ihren Mofas auf einer Dorftour sind.

Für mich sind es Helden.
Sie allein sorgen dafür, dass ich näher an mein Ziel, die Polarlichter, komme.
Ohne sie wäre meine Reise schon lange vorbei gewesen, da ich an irgendeinem Baum, an irgendeinem Berg oder im Graben liegen würde.

Trotz ihrer ungläubigen Blicke, wenn sie sehen, wie ein gestörter Kerl mit Wohnwagen über Straßen aus Eis fährt und dabei fröhlich winkt, sind sie immer da, hilfsbereit und unglaublich freundlich.

Sie repräsentieren dieses wunderbare Land hervorragend und geben mir ein wenig den Glauben an die Menschheit zurück.

An dieser Stelle möchte ich mir das Ziel setzen, mindestens einen von ihnen auf einen Kaffee einzuladen und mit meiner Kamera zu portraitieren.